Überbiss

Ein vergrößerter Überbiss ist ein sehr häufiger Befund. Er kommt bei Menschen jeden Alters vor. Als normaler Überbiss gilt in der Regel ein Abstand von 2 bis 4 mm zwischen den oberen und unteren Frontzähnen.

Oft wird ein abweichendes Lageverhältnis der oberen und unteren Schneidezähne als ästhetisch störend empfunden, kann aber je nach Ausprägung und individuellem Empfinden unterschiedlich bewertet werden. Bei Nichtbehandlung kann dies weitere Zahn- und Kieferprobleme zur Folge haben, wie Kiefergelenksbeschwerden, übermäßiger Zahnabrieb oder auch funktionelle Probleme beim Kauen, Sprechen und Atmen. Auch haben stark nach vorne geneigte (protrudierte) Schneidezähne ein höheres Risiko bei Unfällen verletzt zu werden oder gar verloren zu gehen.

Wir nehmen uns Zeit für ein detailliertes Vorgespräch und eine genaue Untersuchung um Ihnen geeignete Behandlungsmöglichkeiten aufzeigen zu können.

Man muss zwischen horizontalem Überbiss (Overjet) und vertikalem Überbiss (Overbite) unterscheiden: 

  • Der Overjet ist per se keine Fehlstellung oder Diagnose, sondern gibt lediglich die Lageverhältnisse der Zähne zueinander an. Die Abweichung wird in Millimetern angegeben und gibt den größten horizontalen Abstand der mittleren Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer an. Liegen die Schneidkanten genau aufeinander, beträgt der Wert Null. Bei einem Überbiss (obere Schneidezähne vorne) wird der Wert als positive Zahl angegeben, bei Unterbiss als negative Zahl. Ein normales Gebiss weist einen Overjet von +2 bis +4 mm auf, was bedeutet, dass die oberen Schneidezähne knapp vor den unteren liegen.Ein vergrößerter Overjet oder horizontaler Überbiss (sagittale Frontzahnstufe) liegt dann vor, wenn die oberen Schneidezähne mehr als 4 mm vor den unteren Schneidezähnen liegen. Dies kann dadurch bedingt sein, dass die oberen Zähne zur Lippe und die unteren zur Zunge hin gekippt stehen. Es kann aber auch sein, dass der Unterkiefer etwas zu weit zurück liegt und die Zahnreihen nicht richtig aufeinanderpassen. Häufig liegt eine Kombination aus beidem vor.
  • Ein umgekehrter Überbiss (syn. Unterbiss, Mesialbiss, Progenie) liegt vor, wenn der Unterkiefer vor dem Oberkiefer positioniert ist. Das bedeutet, dass die unteren Schneidezähne vor den oberen liegen und manchmal sogar die untere Lippe vor der oberen liegt. Diese Abnormalität ist seltener als der Rückbiss und entsteht durch einen überentwickelten Unterkiefer und/oder unterentwickelten Oberkiefer.
  • Der Begriff Overbite bezeichnet den vertikalen Überbiss der Schneidezähne. Hierbei wird der Abstand zwischen den Schneidekanten gemessen. Ein frontal offener Biss liegt vor, wenn es keinen Kontakt zwischen den Schneidekanten gibt, der Overbite hat einen negativen Wert. Im normalen Biss überlappen sich Ober- und Unterkieferschneidezähne um ca. 2 bis 4 mm. Ist der Overbite vergrößert (mehr als 4 mm) spricht man von einem Tiefbiss.

Bei vergrößertem Overbite, besteht (Be)handlungsbedarf. Dies kann – wie auch beim Overjet – dazu führen, dass die betroffenen Personen Schwierigkeiten beim Sprechen, Beißen und Kauen haben. Die Schneidezähne werden häufig übermäßig abgenutzt

Häufiges Daumenlutschen, Schnullern oder Fingernägelkauen kann den Überbiss verstärken. Der Daumen schiebt die oberen Zähne nach vorne und drückt gleichzeitig die unteren nach hinten. Dadurch wird die Zunge nach unten gedrückt und der Oberkiefer verschmälert sich.

Wenn Sie bereits unter fortschreitendem Knochenabbau oder Parodontitis leiden, haben Sie möglicherweise Schwierigkeiten beim Zubeißen oder beißen oft „daneben“. Dies kann eine belastende Situation sein, die dazu führt, dass Ihre Oberkieferzähne nach vorne gedrückt werden.

Nicht selten können durch extrem schiefe Zähne psychische Traumata entstehen, da ein auffälliger Überbiss das Selbstbewusstsein beeinträchtigen und das ästhetische Empfinden negativ beeinflussen kann.

Ein vergrößerter Überbiss kann verschiedene Ursachen haben:

  • Genetische Veranlagung – Ein Überbiss kann vererbt werden und in einigen Familien vermehrt auftreten.
  • Zahnfehlstellungen – Wenn die Zähne nicht korrekt aufeinanderpassen oder sich nicht richtig entwickeln, kann ein Überbiss entstehen.
  • Negative Angewohnheiten (Habits) – Daumenlutschen, Schnullergebrauch oder Fingernägelkauen – können das Wachstum der Kiefer beeinflussen und zu einem Überbiss führen.
  • Zahnverlust – Wenn Zähne frühzeitig verloren gehen und nicht ersetzt werden, kann dies die restlichen Zähne verschieben und einen Überbiss verursachen.
  • Mundatmung – Konstantes Atmen durch den Mund führt zu einer Fehllage der Zunge und zu Unterentwicklung des Oberkiefers und begünstigt einen Überbiss.
  • Durch Parodontitis und Knochenabbau kann es zu unerwünschten Wanderungen von Zähnen kommen, die den Überbiss möglicherweise vergrößern.
  • Vernachlässigte zahnärztliche Behandlung – Nicht behandelte Zahnprobleme wie Karies oder Zahnfleischerkrankungen können das Kieferwachstum stören und zu einem Überbiss führen.

Ein Überbiss kann sich im Laufe der Zeit verschlimmern, wenn die Ursachen nicht behoben werden. Durch das Wachstum des Kiefers und der Zähne kann sich ein Überbiss weiter vergrößern. Es gilt das Prinzip „Wehret den Anfängen“: Eine frühzeitige Behandlung wird empfohlen, um langfristige Probleme zu vermeiden.

Vorzugsweise wird ein Überbiss während des Zahnwechsels und des Kieferwachstums im Kindes- und Jugendalter behandelt. Ein verzögerter Beginn der Behandlung kann zu größeren Komplikationen und längeren Behandlungszeiten führen. In jungen Jahren kann das Wachstum beeinflusst und die Fehlstellung korrigiert werden, bevor Zahn- und Kieferprobleme ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen wie etwa Cranio-Mandibuläre-Dysfunktion (CMD), Migräne, chronische Nacken- und Rückenschmerzen, Tinnitus oder Schwindel. Schwerwiegende Fehlstellungen können zu akuten Kiefergelenkschmerzen oder starken ästhetischen Beeinträchtigungen führe.

Ein unbehandelter Überbiss kann zu Problemen beim Kauen, Sprechen und Atmen führen und langfristig den Zahnschmelz schädigen. Besonders bei einem stark ausgeprägten Überbiss mit weit nach vorne ragenden Schneidezähnen besteht die Gefahr, dass ein Kind bei einem Sturz auf die Zähne fällt und sich dadurch einen oder mehrere Zähne ausschlagen kann.

Je nach Ursache des Überbisses kommen bei dessen Behandlung unterschiedliche Zahnspangen zum Einsatz. Im Kinder- und Jugendalter kann ein vergrößerter Überbiss gut mit funktionskieferorthopädischen Geräten wie Bionator, Aktivator oder Vorschubdoppelplatten (VDP) behandelt werden. Auch festsitzende Apparaturen wie das Herbst-Scharnier oder MB-Apparaturen in Kombination mit Gummizügen oder Klasse-II- Non-Compliance-Apparaturen kommen zum Einsatz. In bestimmten Fällen können auch Aligner verwendet werden.

Durch gezielte Übungen zur Kieferstellung und das Tragen einer Mundvorhofplatte können manchmal geringfügige Überbisse korrigiert werden. Es ist jedoch wichtig, dass die Behandlung genauestens zu überwachen, um sicherzustellen, dass keine weiteren Probleme auftreten.

Wenn medizinische Notwendigkeit besteht, werden die Behandlungskosten in vielen Fällen von der Krankenkasse abgedeckt. Wir klären Sie vor Beginn der Behandlung über die Kosten auf und erstellen einen maßgeschneiderten Therapieplan nach den jeweiligen Kriterien der Behandlungsbedürftigkeit.

Ein vergrößerter Überbiss kann auch bei Erwachsenen behandelt werden, jedoch ist die Therapie in der Regel aufwändiger und langwieriger. Die Dauer und der Aufwand hängen davon ab, ob eine reine Zahnfehlstellungskorrektur ausreicht oder ob der Fehlbiss mit einer Kieferumstellungsoperation korrigiert werden muss, um die Harmonie zwischen Ober- und Unterkiefer herzustellen.

Zu weit vorstehende Schneidezähne können in vielen Fällen auch mit Alignern behandelt werden, insbesondere bei kleineren Normabweichungen. Hierbei werden individuell angepasste transparente Zahnschienen genutzt, um die Zähne und den Kiefer in die richtige Position zu bringen. Die Dauer der Korrektur hängt vom Schweregrad des Überbisses ab, kann aber mehrere Monate bis hin zu einigen Jahren betragen und hängt vom individuellen Fall ab. Es sind regelmäßige Kontrolltermine und Anpassungen der Zahnspange notwendig, um den Erfolg der Therapie zu gewährleisten.

Bei der Behandlung eines Überbisses können Risiken wie Wurzelschäden, Zahnverlust, Zahnfleischprobleme oder temporäre Beschwerden auftreten. Eine sorgfältige Überwachung und Anpassung der Therapie sind wichtig, um mögliche Risiken zu minimieren. Eine regelmäßige Nachsorge und das Tragen von Retentionsgeräten (Retainer oder Schienen) nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung sind wichtig, um das Ergebnis langfristig zu stabilisieren.

Die Behandlung von Überbiss erfolgt normalerweise während der Wachstumsphase von Kindern und Jugendlichen mit verschiedenen Zahnspangen. Wenn konservative Behandlungsmethoden währen der Wachstumsphase nicht ausreichen, um den Überbiss zu korrigieren, ist eine Kieferumstellungsoperation notwendig.

Ein kieferchirurgischer Eingriff wird in der Regel als letzte Behandlungsoption in Betracht gezogen, bei genetischer Prädisposition oder wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind. Die Entscheidung zur Operation treffen wir gemeinsam je nach Ihrer individuellen Patientensituation und den Erfolgsaussichten und in enger Absprache mit einem Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.